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Damals im Wirtshaus
Bei den 12 Aposteln

So kurz wie möglich, so lang wie nötig

Gespannt wartete ich also immer auf den Müller Karl, welcher zum morgendlichen Bier, oder zum nachmittäglichen Bier, oder zum Feierabend-Bier, aus dem grauen Tiefgaragen-Eingang, vorbei an der gelben Telefonzelle vor der Garage mit dem hellblauen VW drin immer in unseren Gasthof kam.

Ja, er war Stammgast im 12 Apostel (und im Sportheim). Sein überschaubares Arbeitsaufkommen, welches mich damals natürlich wenig interessierte, ließ eine hohe Anwesenheit in unserem Gastzimmer zu. Er war eigentlich immer da, zumindest in meiner Erinnerung.
 

Ich Limo trinkend und Bierfilz-Häuser bauend, Karl Rot-Händle rauchend und Weideneder Helles trinkend, verbrachten damals fast jeden Vormittag (vor dem Kindergarten) "gemeinsam". Karl baute natürlich nicht mit an den teils 6 stöckigen Häusern, ganz im Gegenteil: Fies lachend freute er sich über jeden Einsturz meiner Häuser und ein mit Bierdeckeln übersätes Gastzimmer.

Dafür traute er mir mit dreieinhalb Jahren bereits das Radfahren ohne Stützen zu, was in einer gewaltigen Schürfwunde endete.

14 HALBE MAL 365: DER KARL IST BESSER ALS DER FRITZ 

Übel nahm ihm das keiner, auch meine Oma nicht, welche aber in unseren damaligen Augen seine Wichtigkeit als Gast völlig unterschätzte. Der Fritz nämlich, seines Zeichens Reiseleiter einer 80-köpfigen Reisegruppe, 3x im Jahr bei uns übernachtend, sei unser bester Gast, behauptete sie beharrlich.

Vom Rechnen keine Ahnung, aber meinem Bruder voll beipflichtend, welcher Karls Bierkonsum hochrechnete, widersprach ihr vehement und bin heute noch felsenfest davon überzeugt:

Der Karl war unser "bester Gast".

Geschichten und Anekdoten gäbs noch genug und wenns einen interessiert, dem erzähl ich gerne noch von Hofdult - Besuchen und seinem Schuhlöffel-Trick, welchen ich immer noch gebrauchen kann. Oder von seinen Mundharmonika-"Künsten". Oder sogar von Fahrten zu Bayern-Spielen ins Olympiastadion.

 

Für den besten Gast, den besten Freund, den Ober-Ober-Tintinger,

KARL

Anfang der 90er, als der Münchner Hof noch (lange) der Familie Kellerer gehörte, stand in den Räumlichkeiten, in die wir jetzt den KARL hineingesetzt haben, ein alter, hellblauer VW-Bus vom Herrn Kellerer, mit dem die Koffer der mit dem Zug ankommenden Wallfahrer ins Hotel befördert wurden. (Ja, ganz früher gabs da mal eine Eisdiele, aber da war ich -28 Jahre jung). Ansonsten gabs da eine Telefonzelle, einen unattraktiven Eingang in die Tiefgarage (welcher jetzt von der Stadt wunderbar aufgewertet wurde) und diese Riesentreppe, die tatsächlich welche mit dem Radl runtergefahren sind, was ich mich leider nie getraut hab.

Diese ziemlich graue Ecke aber war vom Gastzimmer des 12 Apostels sehr gut einsehbar und mein Blick ging oft dorthin, zwischen Café Baumann und Münchner Hof.

Warum? Der Grund war KARL.

 

KARL MÜLLER, DER SHERIFF DER TIEFGARAGE 

 

Grün-graue Cord-Kniebundhose, rote Socken, O-Haxn, akkurater Scheitel mit viel zu wenig Haaren (kein Wunder, bei einer Schachtel Rot-Händle am Tag), Bayern-Fan, Stammgast (und umsatzstärkster Geschäftspartner - aber dazu später mehr) im 12 Apostel und mein erster "bester Freund". Selber kann ich mich zwar nicht mehr an diese Aussage erinnern, aber wenn's die Mama sagt...

Ein Foto würd's einfacher machen, ja klar. Aber würde er das wollen? Und außerdem finden wir ums Verrecken keines. Er hat nämlich immer nur selbst fotografiert, mit einer Polaroid. Für mich eine Zaubermaschine, die alle anderen Foto-Apparate für mich völlig sinnlos erschienen ließen. Wozu warten auf ein Foto?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein kleines Kabuff, das immer noch existiert (rein in die Tiefgarage und erste Türe rechts), war sein Tagesquartier als Wächter der dortigen Abläufe. Jawohl, als Wächter der ganzen (riesigen) Tiefgarage mit WC-Anlage war er Vollzeit beschäftigt. Sowas leistete man sich damals in Altötting. Aber eine Putzfrau gabs auch, keine Sorge.
 

by Philipp Burghardt
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